2 Meter Abstand

Der Botschafter:
Uwe Jocham

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2m-abstand.ch: Das Inselspital Bern war so etwas wie der nationale Leuchtturm in den schwierigsten Momenten der Corona-Pandemie. Mittendrin Uwe Jocham, Direktionspräsident und Verantwortlicher von über 11 000 Insulanern. Ein Blick in eine Zeit, in der das Leben von A bis Z auf den Kopf gestellt wurde – besonders im grössten Spital der Schweiz.

Uwe und die verrückten Wochen
Bereits im Januar gruben die Verantwortlichen die Pandemiepläne aus und erstellten eine Katastrophenskizze. Als es dann Mitte März in der Schweiz losging, war das Inselspital überdurchschnittlich gut vorbereitet. Das Lager mit Schutzmaterial war voll. Der normale Spitalbetrieb wurde stillgelegt – das sogenannte elektive Geschäft existierte nicht mehr, ein Covid-19-Track wurde gebaut. «Danach waren wir in der Lage, bis zu 300 Abstriche täglich durchzuführen. Wir konnten unsere Kapazitäten um ein Vielfaches erhöhen», erinnert sich Uwe Jocham an den Beginn der Corona-Krise. Gleichzeitig richteten die Verantwortlichen eine Hotline für die Bevölkerung ein. «In der heissen Zeit meldeten sich bis zu 250 Personen täglich», erinnert sich der Direktionspräsident der Insel. «Es ist unglaublich, was in dieser Zeit alles vor sich ging. Über 2000 Freiwillige boten uns spontan ihre Hilfe an. Wir richteten einen internen Personalpool ein, um unsere Mitarbeitenden dort einsetzen zu können, wo es die Covid-Krise erforderte. Zur punktuellen Unterstützung stellten wir temporär auch viele Medizinstudenten ein. Und mit Hilfe der Stadt Bern und Firmen aus der Umgebung gelang es, unseren Mitarbeitenden innert kürzester Zeit über 1000 Parkplätze zur Verfügung zu stellen.»

«Aus einem ehemaligen Lagerraum wurde innert sechs Tagen eine komplett funktionstüchtige Intensivstation für 25 Patienten errichtet.»

Uwe und die grossen Umstellungen
Home Office gabs in der Insel bisher nur vereinzelt: Wenige Lizenzen, niedrige Kapazitäten, wenig Bandbreite: Die IT musste quasi über Nacht die Infrastruktur massiv ausbauen. «Das war eine herausragende Leistung, wir hatten bis zu 2000 Mitarbeitende im Home Office», zeigt sich Uwe Jocham noch heute sichtlich beeindruckt. Doch damit nicht genug: Aus einem ehemaligen Lagerraum wurde innert sechs Tagen eine komplett funktionstüchtige Intensivstation für 25 Patienten errichtet. «Das sind Dinge, die normalerweise schlicht nicht möglich sind.»

Uwe und die berührendsten Erlebnisse
Natürlich machte sich Uwe Jocham mehrmals ein Bild, wie es auf den Covid-19-Stationen im Detail aussah: «Man stelle sich vor: Ein beatmeter Covid-19-Patient wird während der gesamten Zeit von vier Personen betreut. Oftmals waren diese Patienten zudem adipös. Für einen solchen Patienten, der täglich zweimal umgelagert werden muss, braucht es bis zu acht Personen. Was mich am meisten beeindruckte, war die Ruhe und Professionalität, mit der die Ärzte und das Pflegepersonal sich um die Patienten kümmerte.» Etwas, was Jocham speziell berührte, waren die Erzählungen einer Pflegerin, die von ihren Erfahrungen berichtete, wenn sie nahestehenden Personen verbieten musste, ihre Liebsten zu besuchen. Da war erschütternd. «Das Eindrücklichste aber waren zwei junge Männer, die mit dem Militärhelikopter aus dem Elsass eingeflogen wurden. Die beiden sahen aus, wie man es von Kriegsbildern her kennt. Sie waren in einem desolaten Zustand, hatten keine Krankenakte dabei und wir kannten nur ihre Handynummer und ihre Namen. Zum Glück erholten sie sich relativ rasch durch die optimale Versorgung, die wir ihnen bieten konnten.»

Uwe E Jocham, Corona Schweiz

Uwe und seine persönliche Rolle
In einer solchen Situation ist vor allem Leadership gefragt. Und Kommunikation. «Ich war ständig mit den Menschen in Kontakt, wir verfassten regelmässig kurze Videobotschaften und erhielten ungemein gutes Feedback dafür.» Für Uwe Jocham ist eine gute Führung eines Unternehmens das A und O. Manche Entscheide mussten unter Hochdruck gefällt werden. Andere wurden mit dem Kanton partnerschaftlich und manchmal quasi über Nacht abgestimmt. Mittendrin Uwe Jocham, der seine Führungsrolle aktiv lebte.

Uwe und das Post-Corona-Fazit
Uwe Jocham ist überzeugt. «Wir stehen kurz vor der Rückkehr in die Normalität und werden das Geschehen in Ruhe analysieren. Eines kann ich aber jetzt schon sagen: Die Zusammenarbeit mit Bund und Kanton war herausragend. Wir wurden mit viel Vertrauen beschenkt. Es gab jeden Tag neue Herausforderungen und ich denke, dass wir letztlich alle am selben Strick gezogen haben – das war auch gleichzeitig einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren.»

«Unsere Organisation ist es gewöhnt, mit Kulturvielfalt umzugehen – es ist ein Teil unserer DNA.»

Uwe und seine 11 000 Mitarbeitenden
Besonders wichtig war für Uwe Jocham, dass die finanziellen Einbussen und Mehrkosten nicht zulasten der Mitarbeitenden gingen. «Wir schauten gemeinsam mit dem Kanton, dass wir diesbezüglich eine optimale Lösung finden», erklärt der Direktionspräsident. Gleichzeitig nahm er sich Zeit, persönlich Schoggi-Osterhasen und Merci-Körbe zu verteilen. «Solche Aktionen kamen extrem gut an – gerade auch, weil die Mitarbeitenden merkten, dass es von Herzen kam.»

Uwe und die Kommunikation mit Menschen aus über 100 Nationen
Man stelle sich vor: In der gesamten Insel Gruppe arbeiten Menschen aus 102 Nationen. «Natürlich wünschen sich alle, dass wir in ihrer Sprache kommunizieren, aber das ist schlicht nicht möglich. Unsere Organisation ist es aber gewöhnt, mit dieser Kulturvielfalt umzugehen – es ist ein Teil unserer DNA», ist Uwe Jocham überzeugt. Und fährt fort. «Wir haben eine eigene Insel-Kultur, die wir leben; die Insel stellt fast so etwas wie eine eigene Heimat mit eigenen Werten dar.»

Letzte Frage

Was ist das Schwierigste in deinem Job?

«Das Schwierigste ist gleichzeitig auch das Schönste, nämlich alles was mit Menschen zu tun hat. Ich führe eigentlich 60 kleine KMUs mit ihrer jeweils eigenen Führung. Aber ich liebe es, die Verantwortung für die Menschen und ihr Arbeitsumfeld zu tragen.»