2 Meter Abstand

Die Ausbrecherin:
Nadine Rohner

Nadine Rohner 2 Meter Abstand

Sie hatte die Schnauze voll von ihrem 9-to-5-Job, machte sich aus dem Staub, wollte sechs Monate reisen, hatte nach zwei Monaten kein Geld mehr und strandete in Bali. Dort erfand sich Nadine Rohner vor fünf Jahren innert Kürze neu und lebt seither im sonnenverwöhnten Seminyak an der Südwestküste.

«Als es hier anfing mit den ersten Corona-News, brach die Hölle los. Alle wollten nur noch eines: nach Hause. Rette sich, wer kann. Es war ein bisschen wie auf der Titanic – jede und jeder wollte weg und alle liessen sich von der Panik anstecken.

Man darf nicht vergessen; Bali ist ein Drittweltland. Die Spitäler sind nicht bereit für eine Pandemie. Warum wir trotzdem blieben. Mein Verlobter ist Engländer. Er wäre in der Schweiz gar nicht reingelassen worden. Und: Ich konnte sowieso nicht zu meinen Liebsten. Unser Lebensmittelpunkt ist mittlerweile hier. Also, Panik runterfahren, durchschnaufen und weiter geht’s.

Die Strassen sind natürlich auch hier leer. Alle Leute tragen Masken – aber das tun sie auch sonst. Der Unterschied zur Schweiz: Die Menschen hier haben nach der Schliessung von allen Läden, Restaurants und Hotels nichts mehr. Wenn wir einem Essenslieferanten drei Franken Trinkgeld geben, sinkt er vor Dankbarkeit in die Knie.

Auf dem Weg zum Supermarkt begegne ich jetzt drei statt 3 000 Menschen. Das Leben steht still, es herrscht Weltuntergangsstimmung. Wie viele Leute sich hier mit dem Corona-Virus angesteckt haben, wissen wir nicht. Es gibt keine offiziellen Zahlen. Letzte Woche war Nyepi, der balinesische Tag der Stille; da darf niemand raus und die Lichter werden während 24 Stunden gelöscht: Damit die bösen Geister an der Insel vorbeifliegen. Das Spezielle: Diesmal fand Nyepi nicht nur an einem, sondern an zwei Tagen hintereinander statt. Gut zu wissen…

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Als ich vor fünf Jahren nach nur zwei Monaten Weltreise in Bali strandete, stand ich vor der Wahl: Entweder ich fliege nach Hause, weil mir das Geld ausgegangen war oder ich bleibe hier und starte mein eigenes Business. Ich entschied mit für Zweiteres. Um mich herum hatte es nämlich lauter Freaks, die alle online von hier aus arbeiteten. Da dachte ich mir: Das kann ich auch und fing an, Social-Media-Strategien zu entwickeln. Damals war das Ganze noch nicht so hip wie heute und ich konnte vom ersten Moment an gut davon leben.

Heute entwickle ich ein Coaching-Programm für Menschen, die sich in Sachen Social Media selbständig machen wollen. Dabei arbeite ich vor allem mit Menschen aus der ganzen Welt. Es sind dies vor allem Frauen, die aus ihrem Alltag ausbrechen wollen und ein eigenes Business auf die Beine stellen wollen. Meine Kundinnen kommen meist aus den USA oder Australien.

Das Lustige ist: Ich verfüge zwar über einen Instagram-Account, habe aber nie aktiv Werbung für mein Business geschaltet. Ich denke, dass ich mich stetig weiterentwickelte, auf meine eigenen Coaches hörte und in meinen Mindset investierte. Dies gebe ich an meine Kunden weiter und anscheinende kommt das gut an. Tönt simpel. Steckt aber viel Arbeit und Selbstreflektion dahinter.

Als ich meinem Umfeld erzählte, dass ich fortan in Bali bleibe, dachte sie, dass ich spinne und innert kürzester Zeit zum Hippie wurde, der jetzt nackt durch Reisfelder herumhüpft. Inzwischen habe ich mir ein Gefäss für das Positive aufgebaut, kann Menschen glücklich machen und das Negative einfach ignorieren.

Dass ich in nächster Zeit in die Schweiz zurückkehre, ist eher unwahrscheinlich. Ich fühle mich hier einfach wohl – besonders, wenn ich höre, dass in der Schweiz wieder mal minus 4 Grad und Hochnebel herrschen. Ich lebe aus einem einzigen Koffer – das reicht mir. Ich schliesse aber nicht aus, dass ich eines Tages zurückkehre. Das wird aber weder heute noch morgen sein.»

Letzte Frage

Wieso gerade Bali?

«Man sagt, dass Bali einem mitteilt, ob man hier bleiben soll oder nicht. Ich kenne Leute, die haben hier nur Negatives erlebt, wurden ausgeraubt oder hatten Unfälle – sie sind gegangen. Mir hingegen ist bisher nur Gutes passiert. Also bleibe ich.»