Der Gastronomische:
Seigi Sterkoudis
2m-abstand.ch: Seigi Sterkoudis sah das Unheil schon Anfang Februar voraus und prophezeite seiner Lebenspartnerin: Da kommt etwas auf uns zu. Mittlerweile hat das Corona-Virus die ganze Schweiz fest im Griff – im Besonderen auch die Gastronomie, wie der Mitbetreiber des KaufleutenRestaurant in Zürich und des Pöstli-Club in Davos erzählt.
Seigi macht den Laden dicht – als erster
Ihn haut normalerweise nichts so schnell aus den Socken. Doch als Anfang März vom Kanton Graubünden die Bedürfnisklausel ausgegeben wurde, dass ab sofort nur noch 150 Personen in einem Lokal zugelassen werden, machte sich Seigi auf den Weg nach Davos – und beschloss zusammen mit seinem Geschäftspartner den Pöstli-Club zu schliessen. «In dem Moment wussten wir: Die Party ist vorübergehend vorbei. Zusammen mit unserem Geschäftsführer und Sicherheitschef erklärten wir unseren Gästen die Situation direkt vor Ort und entschuldigten uns dafür.» Diese waren zwar enttäuscht, zeigten aber auch Verständnis für die Situation – schliesslich ging es um nicht weniger als die Gesundheit aller Gäste und Mitarbeitenden. Was blieb ist der finanzielle Schaden. Der März gilt als bester Monat im Tourismus-Hotspot Davos. Doch Seigi und sein Team wussten auch: Im Nachhinein hatten sie alles richtig gemacht.
Seigi zögerte keine Sekunde – im Gegenteil
Auch in Zürich reagierte die Kaufleuten-Crew sehr rasch, schlossen Tür und Tor und beantragten Kurzarbeit. «Das Ganze zeichnete sich ja bereits Ende Februar ab. Wir sind ein erfolgsorientierterGastrobetrieb mit Lesungen, Theater, Comedy, Konzerten und internationalen DJs. In unsererRestaurantküche arbeiten wir mehrheitlich mit frischen Lebensmitteln. So verteilten wir die bereits bestellte Ware an unsere 50 Mitarbeitenden, sagten alle Veranstaltungen ab und mussten leideralles herunterfahren.»
Seigi ist dankbar – und so richtig gerührt
Die Kundenreaktionen auf die Schliessung waren verständnisvoll. «Wir haben zum Teil rührendes Feedback erhalten. Ganz viele Gäste haben uns auf allen Kanälen geschrieben. Wir mussten es nicht gross erklären – jede und jeder wusste Bescheid. Wir bekamen Mails und SMS, in denen stand, dass sie unser Schnitzel vermissen, andere wollten bereits den ersten Tisch nach derWiedereröffnung buchen.» Seigi weiss: «Die Kaufleuten-Gäste stehen in guten und schlechten Zeiten zu uns.» Doch die Reaktionen berühren ihn bis heute.
Seigi zeigt sich demütig – und optimistisch
Die Party ist also vorläufig zu Ende. Für viele Betriebe ist es ein finanzielles Desaster. Doch das Leben geht weiter. Seigi glaubt, dass das Virus allgegenwärtig bleiben wird. Trotzdem hofft er natürlich, dass man möglichst rasch eine Impfung findet. «Alles, was wir jetzt machen müssen, istabwarten und hoffen. Und demütig bleiben. Wir werden hoffentlich mit einem blauen Auge davonkommen. Gleichzeitig denkt er, dass die Gäste wieder zurückkommen. «Wenn alles vorbei ist, wollen die Menschen wieder ausgehen, sich amüsieren, gut essen und trinken. Ich hoffe, dass sie helfen, insbesondere auch die Gastronomie wieder anzukurbeln.»
Seigi kommt zurück – in alter Frische
Der Gastronom mit griechischen Wurzeln ist sich sicher, dass das Kaufleuten seine Tore schon bald wieder aufmachen kann. Und dass das Konzept nach wie vor gefragt ist. «Wir sind eine Institution. Das Kaufleuten gibt es seit 27 Jahren – wir haben nichts falsch gemacht, also müssen wir uns auch nicht neu erfinden», weiss Seigi. Er findet es einfach schade, dass die Betriebe während des schönsten Frühlingserwachens einfach so aus der Blüte gerissen wurden. «Unsere Gäste und Club-Stammgäste wissen, dass wir in alter Frische und mit dem gleichen Team zurückkommen.»
Seigi teilt – und widmet sich dem Wesentlichen
Einen solchen Moment hat Seigi logischerweise noch nie erlebt. Aber er hat sich darauf eingestellt. Mehr Zeit für die Familie, bewusst Momente teilen mit Freunden und dem Team, runterkommen beim Velofahren, die Eltern besuchen, ein Buch lesen, zuschauen, wie sich die Natur erholt. «Vor dem Lockdown hatte ich täglich 50 Telefonanrufe und bis zu 150 SMS und Mails. Ich war permanent erreichbar – das alles vermisse ich am wenigsten. Ein bisschen Abstand vom Handywahn hat noch nie geschadet», denkt der. Am besten 2 Meter…
Seigi stützt den Detailhandel – und rechnet vor
Was Seigi zurzeit gerade nicht begreift: Wieso darf man in einem Lebensmittelladen mit 2 Meter Abstand einkaufen, aber in der Boutique mit demselben Abstand keine neue Hose kaufen? «Das ist mir echt ein Rätsel – diese Regelung wird vielen Detailhändlern den Kopf kosten. Klar geht die Gesundheit geht vor, aber in dieser Hinsicht befinden wir uns ein wenig auf dem Holzweg», ist der Restaurant- und Clubbetreiber überzeugt. Er weiss auch, dass die Gastrobetriebe die letzten in der Lieferkette sind. Niemand rechnet damit, dass wir am 4. Mai wieder öffnen können. Zumal völlig unklar ist, nach welchen Kriterien das ablaufen soll. Und: Wer hat schon Lust, das Essen von einem Kellner serviert zu bekommen, der aussieht, als würde er sich gerade für eine Operation bereitmachen… »
Letzte Frage
Hast du dir schon mal überlegt, etwas komplett anderes auf die Beine zu stellen?
«Nein, niemals. Ich bin durch und durch Gastronom, gelernter Wirt und liebe meinen Job – es ist der beste dieser Welt. Und ganz ehrlich, ich kann gar nichts anderes… »