2 Meter Abstand

Die Beruhigte:
Lea Müller

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2m-abstand.ch: Sie war schnell und hatte schon immer die beste Orientierung – bis heute zeigt sie ihrem Partner und ihren Freunden beim Joggen, wo’s durchgeht. Jetzt richtet sich die ehemalige OL-Weltmeisterin Lea Müller auf die bevorstehende Geburt ihres Sohnes ein. Wie fühlt es sich eigentlich an, in einer solchen Zeit ein Kind zu gebären?

Die Unsicherheit

Noch vor vier Wochen machte sich Lea Müller gröbere Sorgen. Sie fragte sich in Anbetracht des drohenden Zusammenbruchs unseres Gesundheitssystems, ob sie ihr Kind Anfang Mai normal im Spital gebären kann. «Diese Unsicherheit war schwierig und drückte auch die Stimmung. Ich sah in den Medien die Bilder der überfüllten Spitäler in Italien und Spanien und hatte schon eine Hausgeburt mit Hebamme und telefonischen Anweisungen der Ärzte vor Augen... » Doch vor zwei Wochen wurde sie von ihrer Frauenärztin beruhigt – die Entbindung wird wie geplant in der Geburtenabteilung eines Spitals stattfinden und der Partner kann dabei sein, versicherte sie ihr. «Da fiel mir ein Stein vom Herzen, denn das war unsere grösste Sorge. Mittlerweile bin ich beruhigt und entspannt.»

Der Abgang

Anfang Mai ist Geburtstermin. In den vergangenen Wochen hatten Lea und ihr Partner Thomas Zeit, sich auf die bevorstehende, neue Situation einzustimmen. «Ich bin mir bewusst, dass wir nur der besonderen Umstände wegen viel mehr Zeit haben, uns auf die Geburt des Kindes gemeinsam vorzubereiten – das ist ein schöner Nebeneffekt.» Im Geschäftsleben hat sie sich im Stillen per Mail von ihren Kollegen verabschiedet. Sie wird ihre Kollegen erst in einem halben Jahr wiedersehen. «Das ist schon ein eigenartiges Gefühl», sagt sie nachdenklich.

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Die Goodies

Lea ist auf dem Land aufgewachsen. Jetzt entdeckt sie gerade die Natur in der Stadt. «Es sind die kleinen Dinge. die einem auffallen und die man viel bewusster wahrnimmt. Das Zmittag im Gärtli, die gemeinsamen Spaziergänge über Wege, die wir vorher noch gar nicht kannten, die Vögel, die man jetzt beobachtet und denen man auch mal zuhört.» Lea bildet sich sogar ein, dass die Glace aus der frisch geöffneten Gelateria di Berna noch nie so gut schmeckte wie jetzt gerade. Und sie nimmt sich vor, auch in Zukunft für einen Ausflug vielleicht eher in der Nähe zu bleiben, als das Weite zu suchen. «Es gibt so viel Unbekanntes und Schönes in unserer nächsten Umgebung.»

Der Bauernhof

Leas Eltern führen einen Bauernhof im baselländischen Chrut- und Rüebliland. Die Natur und die Tiere prägten sie. Kürzlich fand der traditionellen Trutenfleischverkauf ab Hof statt – natürlich alles mit 2 Meter Abstand. «Im Betrieb meiner Eltern hat sich nicht viel verändert. Bisher konnten sie den Betrieb alleine stemmen – schwieriger wird’s dann in der Hochsaison bei der Kirschen- und Obstlese im Juni. Dann werden sie auf Helfer angewiesen sein.» Lea hofft, dass sich die Lage bis dahin entschärft. Sie selbst wird wohl keine grosse Hilfe sein.

Die (ehemalige) Spitzenläuferin

Einst liess sie alle orientierungslos zurück – und lief allen davon. Lea war Schweizermeisterin, jahrelang im Nationalkader und wurde im 2005 sogar Staffel-Weltmeisterin im Orientierungslauf. Bis heute ist sie dem Sport treu geblieben. Vor ihrer Schwangerschaft heizte sie ihrem Partner und ihren Freunden stets richtig ein, so dass sie bald mal «Coach» genannt wurde. Sie lacht ob ihrem Spitznamen: «Ich wusste halt immer wo’s durchgeht und wie lange man für diese Strecke etwa haben durfte…»

Letzte Frage

Sommer 2020 – was wird anders sein?

«Ich glaube, dass das Virus uns noch eine Zeit lang beschäftigen wird und dass es ein spezieller Sommer wird. Gewisse Dinge wie Grossveranstaltungen werden noch einige Zeit nicht möglich sein. Ich hoffe, dass wir lieber langsam als schnell wieder zur Normalität zurückkehren – und dabei nicht so schnell vergessen, wie das damals war, im Frühling 2020.»