2 Meter Abstand

Der Koordinator:
Alexander Reinhard

Alexander Reinhard 2m Abstand

2m-abstand.ch: Wie hält man 170 Angestellte bei Laune? Wie erfindet man sich in der Krise neu? Wie startet man mit Gleichgesinnten ausgerechnet in dieser Zeit neue Kooperationsprojekte? Der Berner Bäckerei- und Gastrounternehmer Alexander Reinhard erzählt, wie er die vergangenen Wochen erlebte und was er Positives aus der Corona-Krise mitnimmt.

Das Grounding
«Als es Mitte März losging, war mir klar: Wir müssen in erster Linie Ruhe bewahren und uns nicht von der Nervosität und Intensität des Lockdowns anstecken lassen. Dabei änderte sich die Lage für uns beinahe alle 24 Stunden. Die Ungewissheit, die Neuorganisation, das Schutzkonzept – gefragt waren jetzt primär engagierte Mitarbeitende aber auch Agilität und klare Führung.»

Die Basis
«Wenn man ein Unternehmen in der vierten Generation führt, muss man in guten Zeiten dafür sorgen, dass man für schwierigere Zeiten gerüstet ist. Gerade in diesen Zeiten dankbar, dass wir seit jeher nur das Geld ausgegeben haben, welches wir vorher auch verdient haben. Dadurch haben wir auch den Schnauf für eine solche Situation und können unsere Entscheidungen unabhängig fällen. Wir leben und arbeiten in einem positiven und gesunden Umfeld und haben die privilegierte Aufgabe, unseren Kunden und Gäste Freude zu bereiten.»

Die Kommunikation
«Die Medien verbreiteten ihre Geschichten und Theorien. Kein Wunder, war die Verunsicherung bei den Mitarbeitenden teilweise fast greifbar. Nachdem wir die Lage immer wieder neu beurteilten, trafen wir Sofortmassnahmen. Vor allem aber informierten wir unsere ganze Belegschaft regelmässig über alles Relevante: Über unser Kommunikationstool «Reinhard Talk» erzählten wir positive Geschichten, datierten Arbeitspläne auf, informierten genau über die Schutzkonzepte, erklärten die komplizierte Kurzarbeit und halfen mit, den Mitarbeitenden die Angst zu nehmen. Vor allem aber lamentierten wir nie, sondern kreierten immer wieder neue Ideen und Angebote.»

Alexander Reinhard 2m Abstand

Die Zwischenbilanz
«Wir haben in so kurzer Zeit noch nie so viel gelernt und frische Ideen umgesetzt wie in den vergangenen Wochen: Hygiene- und Schutzkonzept, neue Verkaufskanäle, Organisation Kurzarbeit, neue Weisungen und Anpassungen, Digitalisierung. Mein Fazit: Ich habe mit Freude festgestellt, wie verbunden die Mitarbeitenden mit unserer Unternehmung sind. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Die Reinhard Crew hat gemerkt, dass wir zu 100 Prozent hinter ihnen stehen und sie schadlos halten – und sie haben es uns mit ihrem Einsatz und ihrer Arbeitseinstellung zurückgegeben Das hat mich sehr berührt.»

Die Kooperationen
«Eines war klar: In dieser Zeit ist es praktisch allen Betrieben in unserer Branche gleich ergangen. Bei den Bäcker- und Gastrobetrieben kennt und schätzt man sich untereinander. Deshalb habe ich keine Sekunde gezögert, ein Projekt mit einem Mitbewerber auf die Beine zu stellen. Den Berner Beck-Kurier mit freiwilligen Velofahrern realisierten wir mit Beck Glatz Confiseur. Bei der Tour de Berne lieferten wir danach über 2 000 Osterhasen kostenlos nach Hause, anstatt an einer aussichtslosen Rabattschlacht teilzunehmen. Diese Aktionen sind bei den Kunden enorm gut angekommen – im wahrsten Sinn des Wortes.»

Das Neuste
«Stillstand existiert bei uns nicht. Gerade eben haben wir unsere neuste Innovation lanciert: guteluise.ch – ein Gemeinschaftsprojekt mit einem Früchte- und Gemüsehändler, einem Metzger und einem Käser. Zusammen produzieren wir Grill- und Brunchboxen – gemischt oder auf Wunsch auch mit nur Brot, Fleisch, Früchten und Gemüse oder Käse. Ich glaube, dass sich viele Menschen in den vergangenen Wochen daran gewöhnt haben, dass man ihnen die Ware nach Hause bringt. Das Gute-Luise-Projekt können wir nur finanzieren, weil wir die Kurierdienstkosten untereinander aufteilen. Auf die Reaktionen bin ich sehr gespannt.»

Letzte Frage

Wieso ist es eigentlich so schwierig, junge und gute Bäcker zu finden?

«Da muss ich widersprechen. Es ist sicher nicht einfach, aber wir finden trotzdem immer wieder sehr gute Leute. Ich denke, dass dies auch mit der Ausstrahlung unseres Betriebs zu tun hat. Wir haben uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen guten Ruf als Arbeitgeber erschaffen. Das zahlt sich nun aus.»