Der Motivator:
André Lüthi
2m-abstand.ch: 95 Prozent der Flieger am Boden, ein Riesenaufwand mit den Rückführungen, der komplette Einbruch des gesamten Business auf Monate hinaus. Die Reisebranche kämpft zurzeit mit hartem Gegenwind und steht vor riesigen Herausforderungen. Mittendrin Globetrotter Group Chef André Lüthi. Doch für ihn und sein Unternehmen gilt trotz Corona-Krise: Kopf hoch und Aufbruch in neue Zeiten.
95 Prozent
Man stelle sich vor: 95 Prozent aller Flieger auf der ganzen Welt bleiben zurzeit am Boden. Wenn es jemanden knüppelhart trifft, dann die Reisebranche. André Lüthi von Globetrotter ist zusammen mit dem Rest der Branche einer der am härtesten Betroffenen: «Wir betreuen immer noch täglich Schweizerinnen und Schweizer, die aus allen Herren Länder zurückgeführt werden müssen. Zusätzlich wollen Hunderte von Kunden ihr Geld für ihre Reisen zurück, die sie gebucht haben und jetzt nicht stattfinden. Und drittens bucht zurzeit kein einziger Mensch mehr eine Reise. Weil niemand weiss, wie lange dieses Szenario noch dauert.»
920 Franken
Ein Beispiel: Ein Globetrotter-Kunde, der im Januar einen Flug Ende April nach Thailand gebucht hat, möchte sein Cash zurück. André Lüthi erklärt: «Das Geld ist längst bei der Fluggesellschaft und von dort gibt es keinen roten Rappen zurück. Wir als Reiseveranstalter können eigentlich nichts dafür, müssen aber unsere Kunden um Verständnis bitten und sie beruhigen.» Die Reaktionen sind denn auch sehr unterschiedlich. «Manche drehen im Roten, andere reagieren gelassen», weiss Lüthi. Immerhin: Einige Fluggesellschaften stellen Gutscheine aus, die an die Kunden weitergegeben werden können.
400 sichere Arbeitsstellen
Für André Lüthi und seine Globetrotter-Crew ist die momentane Belastung riesig. Der Reisepionier ist stolz darauf, dass die Globetrotter Group bis jetzt keinem einzigen Mitarbeiter kündigen musste. «Ich sehe mich als Motivator und stehe täglich mit dem einen oder anderen Team in Kontakt. Sie müssen einerseits Überstunden und Ferien abbauen und andererseits Sonderschichten schieben. Aber – und das ist das Wichtigste: Sie sind das Gesicht von Globetrotter und geben stets ihr Bestes. Das ist das beste Marketing. Wenn wir jetzt einen guten Job machen, kommen die Kunden wieder zurück, davon bin ich überzeugt.»
49mal Himalaya
Doch von wo nimmt Lüthi die Gelassenheit, das alles zu schaffen? Den Durchhaltewillen und den Optimismus? «Ich war bereits 49mal im Himalaya und stehe in Kontakt mit einem buddhistischen Mönch. Er hat mir gelehrt, dass wir oftmals den Sinn einer Krise erst zu einem späteren Zeitpunkt verstehen. Darauf vertraue ich, weil ich schon vielfach gute Erfahrungen mit seinen weisen Voraussagungen gemacht habe.» André Lüthi weiss, dass sich auch Globetrotter ein bisschen neu orientieren muss. Dennoch ist er überzeugt, dass das sich die Strategie nachhaltiges Reisen über längere Zeit ausbezahlen wird. Auch für die Schweiz sieht Lüthi alles andere als schwarz: «Wenn das alles eines Tages vorbei ist, dann wird es einen Ansturm auf Schweizer Destinationen und Ausflugsziele geben.» Als Mitbesitzer des Blausees bei Kandersteg und der St. Petersinsel macht er sich auch keine Sorgen um die Schweizer Hotellerie: «Die qualitativ guten Betriebe werden diesen Sturm überleben», glaubt er.
1 x Vollkaskomentalität, bitte
Der Berner Unternehmer ist überzeugt, dass die Zeit der Overspeed-Mentalität jetzt ein bisschen vorbei ist. «Ich sehe das an mir selbst. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise war ich eigentlich bis Ende Mai von morgens bis abends komplett ausgebucht. Jetzt geniesse ich es auch mal, einfach zuhause zu sein, vom ganzen Trubel runterzukommen und mir genug Zeit für meine sportlichen Aktivitäten nehmen zu können. Und: Die westliche Welt muss wegkommen von der Vollkaskomentalität. Es gibt keine Sicherheit für alles. Wir müssen lernen, wieder ein bisschen demütiger und respektvoller zu werden.»
Aarelauf, morgens um 5 Uhr
«Ende März passierte etwas Eindrückliches. Ich lief wie immer in aller Herrgottsfrühe der Aare entlang, als mir ein anderer Läufer entgegenkam. Ich dachte noch, denn kenne ich, stoppte und tatsächlich; es war Andreas Meyer, der ehemalige SBB-CEO. Wir kennen uns schon seit Jahren, waren zusammen in Äthiopen und schätzen uns. Wir mussten laut lachen und wollten uns schon in die Arme fallen – im letzten Moment kam uns in den Sinn, dass dies vielleicht nicht die beste Idee ist…»
Letzte Frage
Welche Reisekonzepte werden sich in Zukunft durchsetzen?
«Ich bin überzeugt, dass der Individualtourismus, wie wir ihn anbieten, auch weiterhin gefragt ist. Zum Beispiel in Form von Sprachaufenthalten, Ayurvedaangeboten oder personalisierten Touren. Reisen ist schliesslich die beste Lebensschule – ich wünsche mir, dass dies auch die zahlreichen Excel-Talibane endlich begreifen.»