Die Beflügelte:
Amina Tahar-chaouch
2m-abstand.ch: Sie ist Innendekorateurin sowie Musik- uns Bewegungspädagogik-Lehrerin. Zurzeit aber ist sie Psychologin, Zuhörerin, Trösterin und Ablenkerin. Amina Tahar-chaouch über ihre Zeit als Spitex-Fachfrau in Zeiten des Corona-Virus.
Die Aufpasserin
«Natürlich bin ich auch als Privatperson zurzeit äusserst vorsichtig. Als Teil des Pflegepersonals trage ich momentan eine spezielle Verantwortung. Ich bewege mich äusserst vorsichtig und beachte alle gängigen Regeln. Natürlich ist es schwierig, sich jahrelang angeeignete Dinge wie Händeschütteln abzugewöhnen. Aber ich weiss, auch, dass wieder andere Zeiten kommen werden. Schon bald.»
Die Psychologin
«Ich habe ja schon viel gemacht in meinem Leben. Ich habe eine abgeschlossene Lehre als Innendekorateurin. Ich habe Musik- und Bewegungspädagogik studiert. Im Moment aber bin ich Pflegerin. Und vor allem Psychologin. Ich muss Kurzatmige beruhigen, Kranke aufpäppeln und auf alle Menschen besonders eingehen. Nicht dass mich das stört, aber die eigentliche Pflege geht manchmal fast unter.»
Die Zuhörerin
«Etwas pflege ich momentan ganz besonders: Das Zuhören. Es gibt so viele einsame Menschen da draussen. Sie erzählen aus ihrem Leben, ihrem Alltag, wollen abladen und buhlen um ein bisschen Aufmerksamkeit. In turbulenten Zeiten betreue ich 12 bis 15 Kunden pro Tag. Manchmal kann das ganz schön anstrengend sein. Meistens aber ist es einfach nur berührend.»
Die Zuschauerin
«Kürzlich war ich bei einer älteren Frau zuhause. Sie hatte panische Angst vor dem Virus. Normalerweise helfe ich ihr unter anderem beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne. Diesmal aber bestand sie darauf, dass sie dies alleine schafft. Ich stand daneben und habe gelitten, weil ich sah, wie schwer ihr es fiel. Willkommen in der Corona-Zeit.»
Die Lebensfreudige
«Es gibt natürlich auch viele schöne Momente. Zum Beispiel, wenn mir die Menschen lustige Dinge erzählen. Wenn sie einem dankbar anlächeln. Wenn ich die Patienten mit Geschichten aus dem Alltag ein bisschen ablenken kann. Wenn ich mit meinem Velo und in meinem Spitex-Überkleid durchs Quartier fahre und mir wildfremde Leute zuwinken.»
Die Umdenkerin
«Ich glaube, dass sich mit dem Corona-Virus einiges in unserer Gesellschaft verändern wird. Ich hoffe, dass die Menschen die kleinen Dinge wieder schätzen lernen. Dass sich die Welt nicht mehr so schnell dreht. Dass nicht immer alles sein muss. Oder dass man sich in Zukunft auch mal anders begegnet.»
Letzte Frage
Was war dein schönstes Erleben in den vergangenen Wochen?
«Die Gespräche mit meiner Familie. Meine Eltern leben im Wallis, die eine Schwester in Luzern, die andere in New York. Nur mein Bruder lebt in Bern. Zu wissen, dass es ihnen allen gut geht, darum geht’s.»