2 Meter Abstand

Der Nachdenkliche:
Marco Wölfli

Marco Woelfli, 2 Meter Abstand

2m Abstand: Er ist eine lebende Fussball-Legende und hat so ziemlich alles abgewehrt, was auf sein Tor geflogen kam. Zurzeit beschäftig sich YB-Meistergoalie Marco Wölfli vor allem mit Homeschooling, seinem vorzeitigen Karriereende und einem Virus namens Corona.

Marco, was war dein erster Gedanke, als die Schweiz wegen des Corona-Virus stillgelegt wurde?
«Wir waren im wahrsten Sinn des Wortes betroffen, weil eine sehr gute Freundin von uns vom Virus erfasst wurde. Sie leidet unter Asthma und wir standen täglich in telefonischem Kontakt – zum Glück ist es am Ende gut ausgegangen. Weil wir sie kurz vorher physisch trafen, begaben wir uns alle zwischenzeitlich in Selbstquarantäne und sind zum Glück gesund geblieben.»

Welche Rolle nimmst du als Familienvater ein?
«Ganz einfach, wir müssen uns strikt an alle Regeln halten und gleichzeitig Vorbild sein. Gerade weil wir ja eine solche Situation noch nie erlebt haben. Umso mehr dürfen wir jetzt keine Panik verbreiten und sollten den Kids erklären, was Sache ist. Ich denke, dass sie das auch sehr gut verstehen. Ausserdem sind wir persönlich in der privilegierten Lage, in einem Haus mit Garten zu leben.»

Wie ist das, wenn man plötzlich nicht mehr trainieren kann?
«Es ist speziell und ungewohnt, weil wir jetzt mit unserem Konditionstrainer online trainieren müssen. Ich kenne natürlich meinen Körper nach 20 Jahren Spitzensport sehr gut und als Goalie trainiere ich vor allem Schnell- und Sprungkraft, in dem ich beispielsweise über Stühle und auf Mauern springe. Dazu kommt ein bisschen Kondition und Jogging auf dem Hometrainer sowie im nahegelegenen Wald.»

Bei YB seid ihr ja eine richtige Familie. Wie stark fehlen dir die Jungs und das Umfeld?
«Man weiss ja, dass man eine erfolgreiche Mannschaft nicht in einem halben Jahr erbauen kann. Wir arbeiteten sehr hart, fanden das entscheidende, noch fehlende Puzzleteil und hatten schliesslich Erfolg. Das schweisst zusammen und wenn du dich dann vom einen Moment auf den anderen nicht mehr sehen darfst, dann fehlen dir die Emotionen, die Trainings, die Sprüche in der Kabine und natürlich die Menschen. Dasselbe gilt auch für meine Familie; die Eltern, das Grosi und natürlich auch alle Freunde.»

Besonders bitter ist die Situation zurzeit für dich – es wäre deine letzte Saison, du trittst ja zurück…
«Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, was und wie das genau wäre. Viel wichtiger ist jetzt die Gesundheit, so banal das tönen mag. Wir schauen von Tag zu Tag; wir können jetzt schlecht planen, wie es rauskommt; deshalb mache ich mir im Moment auch keinen Kopf darüber.»

Marco Wolfli, Corona Schweiz
Marco Wölfli tritt Ende Saison zurück.

Wie geht es mit dir nach dem Karriereende als Fussballer weiter?
«Ich bin ein Sicherheitsmensch und habe mir schon länger überlegt, welche Richtung ich einschlagen möchte. Ich freue mich auf das neue Kapitel in meinem Leben. Klar ist, dass ich in irgendeiner Form bei YB bleibe – ich bin jetzt schon 20 Jahre dabei und möchte weiterhin den positiven Weg des Vereins begleiten und mitprägen. Zusätzlich habe ich mich schon seit meiner Jugend immer wieder mit Immobilien und Architektur auseinandergesetzt und mir ein zweites Standbein aufgebaut. Während andere im Hotel Filme schauten oder Playstation spielten, bildete ich mich weiter und fand für diesen Berufszweig Freude und Leidenschaft.»

Hat wegen der Corona-Krise bei dir bereits ein gewisses Umdenken stattgefunden?
«Ich denke schon, man geht noch bewusster durchs Leben, verzichtet auch mal aufs Auto oder Plastic beim Einkaufen und bucht vielleicht nicht gerade jetzt die nächste Flugreise. Aber die derzeitigen Umstände bringen ja auch Vorteile: Man kann sich mal so richtig dem Familienleben widmen, Frau und Kinder geniessen, mal die Garage oder den Keller aufräumen oder am Baumhaus weiterbauen... »

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Welche Chancen ergeben sich durch eine solche Krise?
«Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft künftig weiterhin solidarisch zeigt. Dass wir aufeinander Rücksicht nehmen und sich jede und jeder ein wenig zurücknimmt. Das Entschlacken wird uns allen guttun, wir leben ja schliesslich immer noch im Überfluss.»

Letzte Frage

Was passiert, wenn es von einem Moment auf den anderen wieder losgeht?

«Dann lassen wir die Hühner aus dem Stall (lacht) … Nein, ich hoffe, dass sich die Menschen an den einfachen Dingen weiterhin erfreuen können, Zeit miteinander verbringen und sich nach wie vor Zeit nehmen für einen Spaziergang im Wald oder einer Velotour durch die Natur.»