Der Organisator:
Stephan Schué
2m-abstand.ch: Wenn alles gut geht, kommen Stephan Schué und seine Crew vom Seminarhotel Bocken in Horgen dieses Jahr mit einem dicken blauen Auge davon. Und dies, obwohl ihnen gerade einige der besten Monate des Jahres durch die Lappen gegangen sind. Der Hoteldirektor über das Jahr, in dem sein Umsatz wohl um satte 50 Prozent einbricht.
«Ich war wie betäubt und hätte heulen können.»
«Als wir Mitte März unseren Personalbestand von einem Tag auf den anderen von 50 auf knapp 6 Personen reduzieren mussten, war ich kurz am Boden zerstört. Ich sass in meinem Büro im Bocken und fühlte nur noch Leere. Ein Kunde nach dem anderen sagte seine Termine ab. Wir waren wirklich gut gebucht, doch es hagelte nur noch Verschiebungen und Annullationen.»
«Es kam ein Punkt, an dem ich mir sagte: Es muss ja weitergehen.»
«Ich suchte in den ersten Wochen Entspannung und Ruhe bei der Familie. Ich sammelte neue Kräfte, ging viel spazieren und führte intensive und gute Gespräche mit meiner Frau und besten Freunden. Zudem nutzte ich die Zeit und ging regelmässig ins Training, um meine mühsame Schulterverletzung gezielt auszukurieren. All dies hätte ich normalerweise nicht in diesem Ausmass tun können. Da fing ich an, dem Lockdown auch Positives abzugewinnen.»
«Ich habe gemerkt, wie privilegiert wir hier in der Schweiz sind.»
«Es gab ja Firmen, die innert weniger Minuten einen Kredit von 500 000 Franken erhielten. Wir selbst bekamen ohne grosse Diskussion Kurzarbeitentschädigung. Das ist schlichtweg sensationell und einmalig. Ich denke, vielen Leuten in der Schweiz ist das gar nicht bewusst und das wird viel zu wenig anerkannt und geschätzt.»
«Zum Glück haben wir in den vergangenen Jahren sehr gut gearbeitet.»
«So kam der Bocken zum Stillstand. Rein betriebswirtschaftlich war das ein Desaster und es entstand ein Riesenloch. April, Mai und Juni ist mit unsere beste Zeit. Dutzende von Events, Seminare, Hochzeiten, Feste finden normalerweise statt – alle wurde entweder in den Herbst oder ins 2021 verschoben und viele ganz abgesagt. Im Juni machen wir statt 700 000 Franken voraussichtlich nur noch etwa 70 000 Franken Umsatz. Wir werden nebst einigen einschneidenden Massnahmen unsere gesamten Rückstellungen der vergangenen Jahre aufbrauchen müssen – und so, sollten wir ab August wieder ganz normal arbeiten können, hoffentlich mit einem blauen Auge davonkommen.»
«Die Mitarbeitenden tun mir am meisten leid.»
«Das Schlimmste für mich war, meinen Mitarbeitenden zu sagen, dass sie jetzt zuhause bleiben müssen und nicht arbeiten dürfen. Viele wollten in den letzten Wochen freiwillig und unentgeltlich mithelfen. Ich musste sie regelrecht zwingen, zuhause zu bleiben. Es gab Leute, die einfach vorbeigekommen sind, um zu helfen – wir mussten sie aber wieder nach Hause schicken.»
«Die gute Nachricht: Nächsten Montag geht’s endlich wieder los.»
«Das Positive vorweg: Wir sind mehr als nur bereit. Der Garten wurde gepflegt, das Housekeeping und der Unterhalt machten einen hervorragenden Job und die Anlass-Koordinatoren machten ihr Menschenmöglichstes, um unsere Events zeitnah zu verschieben. Dabei mussten wir noch aufpassen, dass wir den Kalender im Herbst nicht überfüllen. Ganz einfach, weil wir unseren hohen Qualitäts-Level und unseren Bocken-Style unbedingt aufrechthalten wollen.»
«Ich konnte keinen Plan B aus der Schublade ziehen.»
«Es heisst so schön, man sollte sich immer wieder sich neu erfinden. Das ist für einen Betrieb wie den Bocken schwierig. Wir werden uns sicherlich anpassen und intern neue Synergien zwischen den Abteilungen finden. Doch allein die Schutzmassnahmen und wahrscheinlich auch die 2m-Abstand-Regel werden uns noch einige Zeit erhalten bleiben. Aber das ist alles nur eine Frage der Umstellung - dieser Herausforderung nehmen wir uns gerne an.»
Letzte Frage
Wie waren die Reaktionen bei den Kunden?
«Wir haben praktisch ausschliesslich positive Resonanzen erhalten. Dass wir keine Annullationskosten verrechneten und so unsere Kunden in dieser Zeit auch unterstützten, fanden natürlich alle toll. Wir machen aber auch kein Preisdumping für zukünftige Anlässe. Die Kunden zeigen dafür ausnahmslos Verständnis. Das hat mich nicht nur gefreut, sondern auch sehr berührt.»