2 Meter Abstand

Der Steuermann:
Nico Müller

Nico Mueller 2m Abstand remoneuhaus com 1 min

2m-abstand.ch: Er wurde in den letzten Jahren immer besser und fuhr dem nicht definierten Karrierehöhepunkt entgegen; doch im März 2020 wurde Nico Müller vom Corona-Virus ausgebremst. Blumenstein statt Nürburgring. Simulator statt Aufwärmrunde. E-Mails beantworten statt Teambesprechung auf der Rennstrecke.

Die Testphase
«Ich fahre für die Deutsche Tourenwagen-Masters – dort gewann ich letzte Saison drei Rennen, stand elfmal auf dem Podest und wurde am Ende Zweiter. Dazu bin ich seit dieser Saison die Formel E eingestiegen. Hierfür flogen wir gerade nach Marrakesch – das war am 27. Februar. Das Rennen fand auf dem letzten Drücker zwei Tage später statt. Dass ich keine Punkte holte, war damals schon fast Nebensache. Unsere Gedanken waren schon bei der Rückreise. Wir sahen das Corona-Virus näher und näher kommen und mussten schauen, dass wir es irgendwie zurück in die Heimat schafften. Kurze Zeit später wurden die Grenze geschlossen.»

Das Qualifying
«Nach dem Lockdown wurde alles auf den Kopf gestellt. Mein normaler Motorsportalltag war Geschichte. Ich musste mich komplett neu organisieren, richtete zuhause in Blumenstein einen Simulator und ein kleines Home Gym ein und zog mich zurück. Zum Glück leben wir auf dem Land und so geniesse ich den Umschwung und die Natur. Die DTM wurde mitten in der Vorbereitung abgebrochen. Ob und wie es weitergeht, steht in den Sternen. Ebenso die Formel E. In vielen Ländern sind ja Grossveranstaltungen verboten. Ein Rennen ohne Fans wäre heftig – so etwas habe ich noch nie erlebt. Ich denke trotzdem, dass es besser wäre zu starten, als gar nicht zu fahren. Die Fans könnten es per Live-Stream oder am TV verfolgen.»

Nico Mueller 2m Abstand
Nico Müller auf 2m Abstand.

Das Rennen
«Wir fahren zurzeit eine Art eigene Competition – das heisst, wir treten online gegeneinander an und fahren mit dem Simulator, dem sogenannten Simracing. Es gibt sogar Simrace-Profis. Gegen die treten wir auch an. Hier treffen zwei Welten aufeinander. Klar kann man es nicht eins zu eins mit einem richtigen Rennen vergleichen, aber ich finde es eine coole Sache. Die Strecken werden gut abgebildet und reproduziert. Das Fahrverhalten wird erstaunlich realistisch simuliert. Für uns Fahrer ist eine optimale Gelegenheit, scharf zu bleiben. Ich schwitze wie in einem richtigen Auto. Das System basiert auf einem extrem schnell rechnenden PC. Wir benutzen einen Lenkradmotor, der viel Kraft erzeugt, die Pedale funktionieren hydraulisch, und selbst der Sitz entspricht der Position, die wir aus dem Wagen kennen. Einzig der der feuerfeste Overall fehlt. Und natürlich tragen wir auch keinen Helm… »

Die letzte Runde
«Wir warten quasi täglich auf den Bescheid, wie es weitergeht. Noch befinden wir uns nicht auf der Zielgeraden. Zum Glück sind wir mental gestärkte Persönlichkeiten. Aber es geht nicht nur um uns Fahrer, es geht um das ganze Team, denn der Autorennsport ist ein Teamsport. Hier muss jeder seinen Job perfekt machen, damit wir etwas holen können. Klar hängt es am Schluss vom Fahrer und von der Technik ab, aber wir sind von so vielen Faktoren abhängig, ob wir es ganz nach vorne schaffen. Letztlich braucht es auch noch den Faktor Glück. Ich fühle mich mit 28 auf dem Weg zum Toplevel. Ich kann mich noch immer verbessern, habe mein Draufgängertum aus den Anfangstagen abgestreift, wichtige Lektionen gelernt und möchte jetzt die nächsten vier bis fünf Jahre nutzen, um das Maximum herauszuholen. Der Motorsport ist meine Leidenschaft und Berufung. Ich brauche keine Motivationsspritze, um morgens aufzustehen. Ich bin Optimist und spüre bereits jetzt eine grosse Vorfreude, das Kribbeln im Bauch. Klar haben wir noch keinen Fixpunkt, aber ich bin überzeugt, dass wir dieses Jahr wieder fahren – sowohl in der Formel E als auch in der DTM. Dann kommt dieser Tunnelblick, der Fokus auf das Rennen, das Einswerden mit meinem Auto. Das vermisse ich zurzeit am meisten.»

Nico Mueller 2m Abstand

Letzte Frage

Hast du in deinem Leben einen Plan B?

«Keiner will darüber reden, was passiert, falls die gesamte Rennsaison abgesagt werden sollte. Das würde sehr unangenehm für das ganze Umfeld. Der Sport ist von dieser Krise enorm betroffen. Aber natürlich bin ich immer noch in einer privilegierten Situation. Ich konnte mir in den letzten Jahren ein Polster schaffen – eben gerade für solche Zeiten, die man ja niemals voraussehen kann. Ich bin komplett selbständig und ich konzentriere mich seit Jahren nur auf den Rennsport. Es gibt also tatsächlich keinen Plan B und bin angewiesen, dass wieder gefahren wird.»