Der Stillgelegte:
Jonas Hiller
2m-abstand.ch: Eigentlich wollte sich Jonas Hiller gebührend von seiner einzigartigen Karriere als Eishockey-Torhüter verabschieden. Doch was vor 23 Jahren beim SC Herisau begann, endet diesen Frühling wegen des Corona-Virus abrupt – die wohl erfolgreichste Karriere eines Schweizer Eishockeygoalies.
Er wurde zweimal Schweizer Meister mit dem HC Davos, spielte neun Jahre in der weltbesten Eishockey-Liga, vertrat die Schweiz an drei Olympischen Turnieren und wollte sich nach grossartigen 23 Jahren Ende Saison mit dem EHC Biel vom Profisport verabschieden. In den Playoffs nochmals alles versuchen – vielleicht sogar die Meisterschaft gewinnen. Jetzt droht Jonas Hiller der Abgang durch die Hintertüre. Eine grossartige Karriere geht zu Ende, ohne dass der Appenzeller jemals noch eine Minute im Tor seines EHC Biels steht. Das letzte Spiel Ende Februar vor leeren Rängen als Abschiedsparty?
Für Jonas Hiller noch vor ein paar Wochen ein undenkbares Szenario. Das Corona-Virus? Weit weg. Und plötzlich wird sein Coach Antti Törmänen positiv getestet und das ganze Team inkl. Familien muss in die Quarantäne. Danach die Ausbreitung. Home Schooling statt Playoff-Stimmung, Familienzeit statt Hockey-Fieber. Der Musterprofi nahm’s und nimmts gelassen. Er weiss, was er alles erleben durfte. Seine anfängliche Zeit auf der Ersatzbank. Der Aufstieg zur Nummer 1 beim HC Davos inkl. Meistertitel im 2007. Und schliesslich das Grösste überhaupt: Das erste NHL-Spiel in London mit seinen Anaheim Ducks beim European Opener in London. Der 3:1-Sieg gegen die LA Kings. Die sieben Jahre in Kalifornien und zwei Jahre bei den Calgary Flames in Kanada. Schliesslich die Rückkehr ins beschauliche Biel, wo gerade eine neue Hockey-Euphorie entstand. Oder in Zahlen: Mehr als je 400 NHL und NLA-Spiele.
Hiller wirkt gefasst und ruhig. Er weiss, dass weder er noch andere die Situation ändern können. Vielmehr macht er sich Gedanken, was morgen kommt. Er geniesst die Zeit mit seiner Familie, seinen zwei Kids, für die er sich jetzt vermehrt Zeit nehmen kann. Sein Kite-Geschäft, seine Hobbies wie das Rumschrauben an seinen Autos. Längst hat er sich seiner aktuellen Lage abgefunden und kümmert sich um seine eigene Neufindung – was auch immer noch auf ihn zukommt.
Ob es doch noch zu einem Abschiedsspiel kommt, lässt er offen. Er und Mathieu Tschantré, das Bieler Urgestein mit seinen bisher 899 Spielen für seinen Verein, können ja dann immer noch für ein Spiel in der neuen Saison zurückkehren und sich gebührend vom Profisport verabschieden. Bis dahin freut sich Jonas Hiller auf die Kollegen, die er jetzt vermisst. Den Besuch der Schwiegereltern in Kroatien. Das Freisein. Den einen oder anderen unbeschwerten Ausflug. Einzig die lange geplante Australienreise steht zurzeit in den Sternen – vielleicht müssen wir uns ja alle ein bisschen zurücknehmen, hat er sich überlegt. Jonas Hiller ist wie viele andere Menschen nachdenklich geworden in diesen Tagen.
Letzte Frage
Auf was freust du dich, wenn der ganze Zauber vorbei ist?
«Ganz einfach, dass wieder ein bisschen Normalität einkehrt – auch wenn das noch ein Weilchen gehen kann. Das Soziale, Freunde treffen und wieder mal auswärts essen, das wär’s...»