Der Enthusiastische:
Matthias Hüppi
2m-abstand.ch: Matthias Hüppi hat nicht nur den Sprung vom anerkannten Sportmoderatoren zum Präsidenten eines ambitionierten Fussballvereins geschafft – er brachte seinen FC St. Gallen auch mit einer eingeschworenen Truppe innert zweieinhalb Jahren auf Kurs. Doch im März wurde der Höhenflug von Grün-Weiss von Corona abrupt unterbrochen. Ob es der FCSG trotzdem sportlich doch noch an die Spitze schafft, entscheidet sich kommendes Wochenende.
Einen Notfallplan, bitte
Matthias Hüppi ist 62 und er sieht zehn Jahre jünger aus. Mindestens. Er ist topfit, er sprudelt, er begeistert und er überzeugt – ein typischer Machertyp. Als Präsident des dienstältesten Fussballvereins der Schweiz hat er sich im Nu einen Namen gemacht. Als das Corona-Virus die Schweiz erreichte, stand sein FC St. Gallen wider Erwarten an der Tabellenspitze. Der Verein war perfekt unterwegs. Finanziell hatten der Präsident und seine Crew alles im Griff. Sportlich lief es über erwarten. Das Umfeld stimmte, die ganze Ostschweiz freute sich auf den bevorstehenden Titelkampf, auf umkämpfte Spiele und auf die bebende Stimmung im heimischen Kybunpark. Doch plötzlich regierte Corona. Hüppi & Co. mussten innert Kürze einen Notfallplan auf die Beine stellen. «Die Krise kam im dümmsten Moment. Doch wir waren rasch bereit und stellten verschiedene Szenarien auf. Das Wichtigste: Wir wollten unsere Pflichten so gut wie möglich wahrnehmen. Wir sind ein KMU mit grosser Verantwortung – an unserem Verein hängen Existenzen», erklärt der FCSG-Präsident.
«Wenn wir als Gesamtes nicht funktionieren, haben wir verloren.»
1 mal Teamwork, bitte
Eines wird im Gespräch mit
Matthias Hüppi rasch einmal klar: Der FCSG ist keine One-Man-Show – im
Gegenteil. Hüppi steht zwar an der Spitze, übernimmt die gesamte
Verantwortung, aber er weiss auch haargenau, wie man Erfolg buchstabiert
und woher er kommt: «Es geht um Zusammenhalt und Teamwork. Wenn wir als
Gesamtes nicht funktionieren, haben wir verloren. Wenn die ganze Zeit
die Sonne scheint, ist es relativ einfach. Wenn es regnet, wird es schon
schwieriger. Wenn aber ein Sturm aufzieht, zeigt sich, wie man
aufgestellt ist.» Hüppi weiss, dass sein Verein auf alles vorbereitet
sein muss. «Uns hat die Corona-Pandemie zusammengeschweisst. Bisher
haben wir es gut überstanden. Weil wir alle Herausforderungen gemeinsam
gemeistert haben», so der Präsident. Er weiss aber auch, dass es nicht
lange so weitergehen kann.
Einmal richtig reagieren, bitte
Anfang Juli ein
weiterer Schock: St. Gallens serbischer Stürmer Boris Babic infizierte
sich auf einem bewilligten Heimat-Urlaub Mitte Juni mit dem
Corona-Virus. «Boris erholt sich momentan von einem Kreuzbandriss. Er
begleitete seine Mutter in die serbische Heimat – zu einer Zeit, in der
das Land noch nicht auf der Liste der Länder stand, die laut BAG nicht
mehr besucht werden sollten.» Der Präsident und sein Verein machten
infolge alles richtig: «Wir isolierten den Spieler, er kam zu keiner
Zeit in Kontakt mit dem übrigen, gesunden Staff», weiss Hüppi. Die
Angelegenheit ist mittlerweile erledigt.
Ein bisschen Solidarität, bitte
Klar ist: Der FC
St. Gallen ist in diesen Zeiten wie so mancher Sportverein in der
Schweiz auf sehr viel Goodwill und Solidarität aus seinem Umfeld
angewiesen. Matthias Hüppi und sein FC St. Gallen fuhren diesbezüglich
ihre eigene, erfolgreiche Strategie: «Unsere Devise lautete, zuerst
selbst etwas Solidarisches zu erschaffen, bevor wir unser Umfeld um
Mithilfe bitten. So engagierten wir uns an diversen Goodwill- und
Helferaktionen.» Mit Erfolg: Die Fans, Sponsoren und Partner reagierten
daraufhin mit einer beispiellosen Solidarität. Über 7000 Treue lösten
ein Abo für nächste Saison – und dies ohne Garantie auf Ersatz und
Rückforderung. Auch die Sponsoren reagierten allesamt positiv. «Im
Moment sind wir noch sehr gut aufgestellt. Aber klar ist auch, dass sich
auf die neue Saison etwas ändern muss. Der FCSG ist auf die
Zuschauereinnahmen angewiesen. Wir haben keinen Mäzen und geben seit
jeher nur aus, was wir selbst erwirtschafteten.»
«Die Bustüre wurde nicht geschlossen, bevor nicht jeder Fan sein gewünschtes Autogramm erhielt.»
Eine grosse Portion Nähe und Verwurzelung, bitte
Der
FCSG ist ein Phänomen. Das weiss auch Matthias Hüppi, der schon als
Kind bei Hitze, Wind und Schnee mit seinem Vater bei jedem Heimspiel im
alten Espenmoos-Stadion stand. «Wenn ein Match ausfiel, brach für mich
eine kleine Welt zusammen», erinnert sich der heutige Präsident. Hüppi
kennt wie kein Zweiter die DNA des Vereins. Er weiss, wie
Fussball-verrückt die Ostschweiz ist. «Der FCSG war schon immer
besonders nahe bei den Menschen in der Region. Ein Beispiel: Vor zwei
Jahren absolvierten wir unter dem Motto «Espen on Tour» unsere
Vorbereitung in unserem Stammland: vom Thurgau über die die
Bodenseeregion, das Toggenburg und Appenzell bis ins Rheintal. Dabei
wurde die Bustüre nicht geschlossen, bevor nicht jeder Fan sein
gewünschtes Autogramm erhalten hatte.» Und Hüppi zeigt sich auch in
Zeiten des Erfolgs geerdet und demütig: «Wir wissen, dass wir immer noch
ein Underdog sind – und das wird auch in Zukunft so bleiben. Aber wir
haben einen ganzen Landesteil, der wie ein Mann hinter uns steht.»
Auch mal Fehler zulassen, bitte
Matthias Hüppi
weiss genau: Wer das Fortkommen eines Fussballvereins langfristig
sichern will, braucht sportlichen Erfolg. Doch dieser lässt sich nicht
einfach so planen. «Mit unserem Budget bewegen wir uns im hinteren
Drittel der Super League – das wird sich so rasch nicht ändern.» Mit
dieser Realität haben Hüppi und seine Crew gelernt zu leben. Sie wissen,
dass sie als Ausbildungsverein auf eigene, junge Spieler setzen müssen –
und dass diese später bei einer entsprechenden Entwicklung und Angebot
den Verein verlassen werden. «Das gehört dazu. Mit unserer Strategie
nehmen wir auch gerne mal in Kauf, dass solche Spieler sich ab und zu
einen Fehler leisten können», erklärt Hüppi. Lieber, als dass sie auf
der Bank versauern. ob sie es noch bis ganz nach oben schaffen,
entscheidet sich in den letzten beiden Spielen am kommenden Wochenende.
Letzte Frage
Was ist eigentlich das Erfolgsgeheimnis des FC St. Gallen?
«Der Verein verkörpert Begeisterung und Authentizität. Was mir am meisten gefällt ist das Menschliche: Wir verfügen über ein grossartiges Team – und damit meine ich sämtliche Mitarbeitenden des gesamten Vereins. Alle ziehen am gleichen Strick. Wenn ich durch die Stadt laufe, begegne ich emotional berührten Menschen. Das ist einzigartig und macht mich glücklich.»