Die Hin- und Hergerissene:
Susanne Böhlen
2m-abstand.ch: Aktuell befände sich Susanne Böhlen in der heissen Vorbereitungsphase. Die Athletenliste stünde bereit, die Unterkünfte ebenfalls und sie wäre auf dem Sprung für die nächsten Sommerspiele: Olympia 2020 in Tokio. Wie das Corona-Virus den grossen Traum zerstörte.
Hingerissen
Kurze Rückblende: Noch im Februar weilte die Leiterin Olympic Team Support von Swiss Olympic in Tokio. «Wir gingen die Vorbereitungscamps durch, schauten die Unterkünfte an und besuchten alle Anlagen. Damals waren wir noch brutal optimistisch – und im Nachhinein einfach nur blauäugig.» Einen Monat später waren die Spiele um ein Jahr verschoben.
Hergerissen
Nach Susanne Böhlens Rückkehr ging es hinsichtlich Tokyo 2020 Schlag auf Schlag. Athleten kehrten von den Wettkämpfen und Trainingslagern heim – einige wenige blieben in ihren Trainingslagern. «Ein Sprinter, beispielsweise, blieb in den USA und eine Ruder-Sportlerin entschloss sich, in Slowenien weiter zu trainieren. Die Wettkämpfe für die Selektionen wurden Schritt für Schritt allesamt abgesagt. Bald wussten wir, dass es nicht mehr realistisch war, dass die geplanten Quali-Events noch stattfinden und die Selektionsdaten eingehalten werden konnten», erklärt Susanne Böhlen. Vier Jahre hatten die Athleten und das ganze Team für diese Spiele gekrampft. Jetzt wurde diese Arbeit vom Corona-Blues überrollt.
Hingerissen
Das nächste Jahr wird Susanne Böhlen und ihr Team krass. Intensiv. Fordernd. Zuerst die verschobenen Sommerspiele in Tokio und nur ein halbes Jahr später die Winterspiele in Peking. Eigentlich eine Herkules-Aufgabe für alle Beteiligten. Und doch: Susanne Böhlen siehts positiv und freut sich. «Hauptsache, die Spiele finden noch statt. Wenn du soweit bist, dass alles bereit ist und wenn du die Vorfreude der Athleten, die Begeisterung des Staffs spürst, dann willst du nur eines: Dass es endlich losgeht.» Jetzt wird’s halt für alle ein Jahr später.
Hergerissen
Ein Jahr verschieben – kein Problem, dann gehen die Spiele halt erst im Sommer 2021 über die Bühne. Dieser Entscheid bringt allerdings grosse Herausforderungen mit sich. Susanne Böhlen erklärt: «Die Athletenwohnungen des Olympic Villages stehen zurzeit leer – aber ein Teil wurde bereits für den Gebrauch nach den Spielen verkauft. Oder die rund 80 000 Volunteers, die bereits ihre Frei- und Ferientage gebucht haben.» Schliesslich ist es für Japan besonders bitter, weil schon zum dritten Mal Olympische Spiele in ihrem Land abgesagt wurden. 1940 (Sommer- und Winterspiele) wegen der politischen Lage (Zweiter Weltkrieg). Jetzt wegen des Corona-Virus.
Hingerissen
Susanne Böhlen weiss nicht so recht, was sie von diesem Virus halten soll. «Einerseits weiss ich, dass er da ist. Unsichtbar, wütend, bedrohend. Andererseits kenne ich in meinem engen Umfeld keine Person, die betroffen ist. Wie schlimm ist es also wirklich? Für mich ist das Corona-Virus irgendein nicht fassbares Phantom da draussen.» Die Bernerin jedenfalls bleibt gelassen und lässt sich nicht von negativen Horror-Szenarien anstecken. «Wir wohnen hier direkt neben einem Spital. Hier herrscht seit jeher Null Hektik. Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass in einigen Spitälern in der Schweiz zahlreiche Menschen um ihr Leben kämpfen.»
Hergerissen
Für Susanne Böhlen ist klar: Die totale Freiheit ist noch weit weg. «Massenveranstaltungen werden in absehbarer Zeit keine stattfinden. Es gibt viele Unsicherheiten. Noch weiss man zu wenig über das Virus.» Dass das Leben bald wieder so sein wird wie vorher, bezweifelt sie. «Die Menschen werden nicht von heute auf morgen den Schalter drehen – ich bin gespannt, wie lange das es geht, bis wir den Alltag zurückhaben.»
Letzte Frage
Denkst du, dass die Olympischen Sommerspiele in einem Jahr durchgeführt werden können?
«Ich kann es zurzeit nicht einschätzen – es sind zu viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Schon nur alle die Durchführungen der nötigen Selektionswettkämpfe, die Trainingsmöglichkeiten der Athleten auf der ganzen Welt, alle finanziellen Fragen, die allfälligen Impfungen… Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort bereit habe.»