Die Leidenschaftliche: Annette Fetscherin
2m-abstand.ch: Annette Fetscherin ist das weibliche Gesicht des Fussballs (bei Schweizer Radio und Fernsehen). Für 2m-abstand.ch erzählt sie, wie sie die Fussball-lose Zeit erlebte, wie sie in der Männerdomäne Fussball zurechtkommt und wie es sich anfühlte, als der Fussball zurückgekehrte. Ausserdem verrät sie ihren Lieblingsarbeitsort, wen sie gerne mal interviewen würde, und über welches Ereignis sie gerne berichten würde.
Annette, wie hast du die verrückten letzten Wochen erlebt?
«Extrem ruhig. Die Sportwelt stand ja still. Ich musste das wie alle anderen auch akzeptieren und habe zunächst alles runtergefahren.»
Und wie bist du zum Alltag zurückgekehrt?
«Das kam automatisch. Wir stellten bei SRF unter anderem Insta Live Talks auf die Beine, holten legendäre Sportmomente hervor und plötzlich war ich wieder mittendrin. Mir hat’s gefallen, ich habe gerne viel zu tun.»
Jetzt ist endlich wieder Fussball angesagt – wie fühlt sich das an?
«Wunderbar. Bei meinem ersten Einsatz merkte ich, wie sehr mir das gefehlt hatte. Die spürbaren Emotionen der Spieler, der Geruch des Rasens und natürlich all die Leute, die ich wieder traf.»
Aber die Stimmung ohne Fans war doch einfach nur traurig?
«Klar, es ist nicht das Gleiche ohne Zuschauer. Und auch der Bratwurstduft fehlt. Aber auf dem Platz geht’s ja trotzdem hoch zu und her. Während der Arbeit bemerke ich das Fehlen der Fans nicht, weil ich mich voll und ganz auf das Spiel konzentriere.»
Störte dich der 2m-Abstand bei den Interviews nicht?
«Klar, ist alles ein bisschen komplizierter als vorher. Aber alle Involvierten zeigen Verständnis und geben sich dementsprechend Mühe. Und: Man gewöhnt sich einfach daran.»
Wie verschaffst du dir Akzeptanz beim Publikum?
«Zentral ist die Kompetenz. Darum bereite ich mich jeweils so gut wie möglich vor. Ich will nicht nur einfach sympathisch sein, sondern möchte mit meinem Fachwissen überzeugen. Auf jeden Fall hilft mir die Routine, die ich mir in all den Jahren angeeignet habe.»
Welches ist dein eindrücklichstes Erlebnis als Journalistin?
«Das Interview mit Büne Huber, dem Sänger von Patent Ochsner, als er in der Pause an einem Eishockeyspiel in Bern über die Fussballer herzog. Da ist mir bewusst geworden, wie schnell etwas viral gehen kann. Irgendwie war das gleichzeitig faszinierend und beängstigend.»
Wieso ist Fussball eigentlich so beliebt?
«Ich denke, wegen den Emotionen, die damit entfacht werden. Man sitzt in einem Stadion zusammen mit Tausenden von Gleichgesinnten und dann geht’s los: Hitze oder Hudelwetter, Sommerschatten oder Flutlicht, Team-Spirit, Charakterstärke, Taktik, Kampf…»
Stichwort: Schwule Fussballer…
«Ich sage nur: Sexuelle Präferenzen spielen keine Rolle. Fakt ist aber: Schwule Fussballer sind ein Tabu. Das finde ich extrem schade und auch unverständlich.»
Hand aufs Herz, welchen Verein hast du als Kind unterstützt?
«Das ist mir eben entfallen…» (lacht)
Dein Lieblingsinterviewpartner im Fussball
«Fabian Frei, weil er in jeder Situation hinsteht – auch wenn es mal wirklich schlecht läuft.»
Dein Lieblingsstadion
«St. Gallen.»
Dein Lieblingsarbeitsort
«Vaduz, da ist alles so herrlich familiär und man wird herzlich willkommen geheissen.»
Dein Wunschinterviewpartner
«Zlatan Ibrahimovic. Ich finde es grossartig, dass er sich selbst grossartig findet.»
Über welches Ereignis möchtest du mal berichten?
«Das Old Firm-Derby zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers.»
Wie lautet dein Post-Corona-Fazit?
«Ich habe mich auf das Wesentliche konzentriert – inklusive allen Menschen, die mir wichtig sind.»
Was ist das Schwierigste in deinem Job?
«Ich muss das Vertrauen der Menschen gewinnen, damit sie mir stets etwas in kürzester Zeit erzählen.»
Und was ist das Schönste?
«Alle Emotionen, die der Sport mit sich bringt. »
Welches persönliche Umdenken hat bei dir bisher stattgefunden?
«Ich habe gemerkt, dass man sich nicht immer von A nach B bewegen muss, um zur Ruhe zu kommen.»
Letzte Frage
Wie kommst du als Frau in der Männerdomäne Fussball zurecht?
«Für mich ist das nicht relevant. Ich habe stets die Erfahrung gemacht, dass es keine Rolle spielt, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Ich wusste für mich selbst, dass ich einen guten Job machen muss, damit ich akzeptiert werde; aber das muss ein Mann ebenso. Und ich hatte den Vorteil, dass es schon Vorreiterinnen gab, die einen guten Job als Moderatorin und Journalistin machten. Ausserdem bin ich alles andere als zimperlich; irgendwelche doofen Sprüche sind mir egal. Gleichzeitig habe ich auch noch nie etwas Negatives erlebt.»