Die Strukturwandlerin:
Nicole Diermeier
2m-abstand.ch: Sie unterstützt die Veränderungen im Schweizer Tourismus, beobachtet einen Wandel vom Stadt- zum ländlich-alpinen Tourismus und hat mitgeholfen, das Nachdiplomstudium Tourismus- und Outdoormanagement zu lancieren: Nicole Diermeier, die Geschäftsführerin und Gesamtschulleiterin der IST – Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich.
Nicole, dein Leben ist geprägt vom Tourismus – wie kam es dazu?
Ich stamme aus einer Tourismusfamilie; mein Vater war Geschäftsführer von Zentralschweiz Tourismus, ich studierte Geografie und meinen ersten Job absolvierte ich bei der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee. Später war ich zwölf Jahre Marketingleiterin bei Schweiz Tourismus.
Was fasziniert dich an dieser Branche?
In erster Linie der Kontakt zu den Menschen – aber auch die Abwechslung und das breite Spektrum. Ich bin Generalistin und darf mithelfen, den Menschen ein Glücksgefühl und ein positives Erlebnis zu vermitteln. Wir Touristiker und Touristikerinnen haben dabei eine grosse Verantwortung gegenüber den Menschen und der Natur. Das ist unser höchstes Gut.
Welches war dein berührendstes Erlebnis in deinem beruflichen Werdegang?
Als wir einen Werbespot für Schweiz Tourismus drehten und Buzz Aldrin – den zweiten Mann, der auf dem Mond war, dafür verpflichten konnten. Einer solchen Persönlichkeit in den Schweizer Bergen gegenüberzustehen, war schon sehr berührend und eindrücklich.
Du bist seit gut eineinhalb Jahren Geschäftsführerin bei der höheren Fachschule für Tourismus IST. Was konntest du bisher bewegen?
Wir können glücklicherweise auf einem soliden Fundament aufbauen und ich darf die Organisation in eine neue Ära führen. Das heisst, wir überarbeiten die Studieninhalte und integrieren dabei neue Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheit und Resilienz aber auch Digitalisierung und Unternehmertum. Dabei arbeiten wir eng mit der Praxis zusammen und – ganz wichtig – wir begleiten die Studierenden über den Studienabschluss hinaus und öffnen ihnen die Türen zu unserem Netzwerk.
Hat sich die Tourismusbranche auf Grund von Corona gerade neu erfunden oder ist sie stehengeblieben?
Es kamen neue Themen hinzu, die Digitalisierung wurde beschleunigt und das nachhaltige Reisen besser in der Gesellschaft verankert. Beispielsweise stehen Outdoor- und Freiluftaktivitäten hoch im Kurs und die Gewichtung Stadt/Berge wurde komplett neu definiert.
«Die Menschen in unserem Land haben das Draussensein, die frische Luft und das Outdoor-Gefühl neu für sich entdeckt.»
Wie stark hat das Virus das Reiseverhalten der Menschen verändert?
Ein
schwieriges Thema: Einerseits wird nachhaltiges Reisen immer wichtiger –
auf der anderen Seite fliegen die Leute weiterhin für 10 Franken nach
Nizza. Fakt ist: Es läuft leider immer noch vieles übers Portemonnaie.
Wie stellt sich die Branche auf die generellen Veränderungen und Bedürfnisse der Gesellschaft ein und auf?
Wir
investieren stark in neue Themen und bündeln die wichtigsten Kräfte.
Ich bin der Meinung, dass man den Strukturwandel viel mutiger angehen
sollte. Kürzlich wurde uns die neue Tourismusstrategie des Bundes
präsentiert. Dabei gab es nur wenige Anpassungen gegenüber 2017 – der
ganz dringend nötige Strukturwandel wird meines Erachtens zu wenig
kritisch betrachtet. Das finde ich enttäuschend.
Was kann man gegen das Problem fehlender Nachwuchs unternehmen?
Hier
sind wir gefordert; wir müssen qualitativ hochstehende, zeitgemässe
Ausbildungen kreieren, uns mit der Branche verknüpfen und jungen
Menschen eine Perspektive bieten.
Eine weitere Herausforderung ist die Abwanderung der Arbeitskräfte in den Tourismusgebieten. Welches sind da die Rezepte?
Da
braucht es Produkte und Angebote, welche eine Nachfrage generieren,
aber auch die Politik, die Unterstützung in der Schaffung von
attraktiven Rahmenbedingungen hinsichtlich Arbeitszeiten und Löhnen
bietet. Zudem braucht es vor Ort bezahlbaren Wohnraum für die
ArbeitnehmerInnen.
«Ich darf mithelfen, den Menschen ein Glücksgefühl und ein positives Erlebnis zu vermitteln.»
Ihr habt kürzlich ein neues Nachdiplomstudium Tourismus- und
Outdoormanagement lanciert. Wie seid ihr da draufgekommen und wie ist es
angelaufen?
Dieses Angebot ist aus den Bedürfnissen unserer
Basis entstanden. Das Wichtigste: Alle Seiten von Interessenvertretern
aus dem Outdoorbereich sind involviert, das heisst. die Verbände sowie
die Industrie und Anbieter. Grundsätzlich wollen wir damit den
OutdoorspezialistInnen eine Perspektive geben, sich zu entwickeln. Wir
sind erst seit zwei Monaten aktiv und hoffen, im Januar mit unserem
ersten Lehrgang zu starten.
Welchen Mehrwert bietet das Angebot?
Unter
anderem einen frischen Netzwerkzugang, praxisorientierte Inhalte und
grosse Flexibiltät – die Teilnehmenden können sich ihre Module selbst
zusammenstellen und einzeln buchen. AbsolventInnen aus den Bergregionen
können bei der Schweizer Berghilfe Unterstützung beantragen.
Letzte Frage
Welche Auswirkungen hatte Covid-19 auf den Schweizer Tourismus?
Die SchweizerInnen haben ihre Ferien vermehrt im eigenen Land verbracht. Zudem wurde der Röstigraben überwunden wie noch nie. Und schliesslich haben die Menschen in unserem Land das Draussensein, die frische Luft und das Outdoor-Gefühl neu für sich entdeckt.